Sonntag, 13. November 2005

Johannes Tauler

Suche nichts als ein reines, einfaches Entsinken
in das reine, einfache, unbekannte, namenlose,
verborgene Gut, das Gott ist,
und in alles, was sich in ihm enthüllen mag.

Alles soll sich an sein Nichts halten:
Nichts wissen, nichts erkennen, nichts wollen,
nichts suchen, nichts haben wollen.

Suche weder Empfindung noch Erleuchtung!
Entsinke in dein Nicht-wissen
und Nicht-wissen-wollen!

Die Tiefe, die in Gott ist,
ist ein solcher Abgrund,
daß aller geschaffene Verstand
sie nicht zu erreichen
noch zu ergründen vermag.

Dieser Tiefe soll der Mensch begegnen
mit der eigenen Tiefe:
das ist, dem grundlosen Abgrund
einer unergründlichen Selbstvernichtung.

Das heißt: könnte er ganz
zu einem lauteren Nichts werden,
das hielte er für recht und billig.

Das kommt aus der Tiefe
und der Erkenntnis seines Nichts.

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Wenn der Mensch in der Übung der inneren Einkehr steht,
hat das menschliche Ich für sich selbst nichts.
Das Ich hätte gerne etwas
und es wüßte gerne etwas
und es wollte gerne etwas.

Bis dieses dreifache ‘Etwas‘ in ihm stirbt,
kommt es den Menschen gar sauer an.
Das geht nicht an einem Tag
und auch nicht in kurzer Zeit.
Man muß dabei aushalten,
dann wird es zuletzt leicht und lustvoll.

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Der Mensch lasse die Bilder der Dinge
ganz und gar fahren
und mache und halte seinen Tempel leer.
Denn wäre der Tempel entleert,
und wären die Phantasien,
die den Tempel besetzt halten,
draußen,
so könntest du ein Gotteshaus werden,
und nicht eher,
was du auch tust.
Und so hättest du den Frieden deines Herzens
und Freude,
und dich störte nichts mehr von dem,
was dich jetzt ständig stört,
dich bedrückt und dich leiden läßt.